[Gastbeitrag von den Woewarianern (Jutta/Andreas), Teil 2 von 4]
Klettersteige rund um Cortina d’Ampezzo Juli/August 2010
Via ferrata della Piramide – Col dei Bos
Nach unserem Abenteuer in der Galitzenklamm war erst einmal für ein paar Tage Wundenlecken und damit bloßes Wandern angesagt, frei nach dem Motto „linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß“. Dies taten wir allerdings in grandioser Umgebung und wanderten u. a. um die Drei Zinnen herum. Die Besteigung der Großen Zinne steht bisher noch aus, aber auch die Wanderautobahn entlang der Drei Zinnen verschaffte schon einen tollen Eindruck von der Gegend, und in den Stollenanlagen rund um die Drei Zinnen hielt sich der Touristenanstrom sogar tatsächlich in Grenzen.
Nach kurzer Zeit aber kribbelte es in den Armen: der nächste Klettersteig war fällig! Bereits zu Hause hatten wir mit einer Tour über die Via ferrata della Piramide westlich von Cortina d’Ampezzo geliebäugelt. Dieser relativ neue Klettersteig führt auf die Piramide (2410 m), einen Vorgipfel des Col dei Bos (2559 m). Leichte Zweifel, ob der derzeitige Fitness-Stand der weiblichen Hälfte der Woewarianer für diese Tour ausreichen würde, wurden durch die folgende Nachricht völlig überlagert: Am Col dei Bos gibt es einen neuen Cache (GC2C781)!
Gut, man kann den Cache auf einem Normalweg erreichen (das erklärt auch die Terrain-Wertung von „lediglich“ 3,5 Sternen), aber: NICHT MIT UNS! [So kenne ich die Woewi’s, Anmerk. der Red] Spätestens jetzt war unser Ehrgeiz geweckt, und wir gingen die Unternehmung etwas planvoller als die Galitzenklamm an.
Die Anfahrt zum Parkplatz in der Nähe des Falzárego-Passes war bereits ein landschaftliches Highlight, und dann wanderten wir los in eine Landschaft voller Superlative: Marmolada, Cinque Torri … Dolomiten at their best! Selten haben wir in einem Klettersteig so viele Landschaftsbilder und so wenig „Action-Bilder“ gemacht! Aber der Reihe nach:
Der Zustieg zum Klettersteig dauerte eine gute halbe Stunde und wurde für uns mit freundlicher Unterstützung eines einheimischen Bergführers und einer auswärtigen Touristin, die in Nylonstrümpfen (!) – na gut, sie hatte auch noch Schuhe darüber – telefonierend den Berg hinaufstapfte, recht unterhaltsam gestaltet. Befürchtungen, wir würden uns am Klettersteigeinstieg ins Gehege kommen, erwiesen sich als grundlos: das ungleiche Paar bog zu einer Kletterroute ab. Wir hoffen, die beiden hatten noch einen schönen Tag zusammen…
Vor dem eigentlichen Einstieg in den Klettersteig orientierten wir uns erst einmal ausgiebig. Die Gegend um den Col dei Bos war ein im Ersten Weltkrieg hart umkämpftes Gebiet. Auch wenn andere Gipfel (Monte Piano, Paternkofel, Lagazuoi) dafür noch bekannter sein mögen, die Kriegsrelikte holten uns auf dieser Tour immer wieder ein. So lässt der Einstieg zu dem Klettersteig nicht nur einen sensationellen ersten Blick Richtung Marmolada zu, er liegt auch nur einen Steinwurf entfernt von einem ehemaligen italienischen Kriegslazarett. Die Ruinen selbst sind noch sehr gut zu erkennen, ihr Verwendungszweck glücklicherweise nicht mehr. Dennoch ist es immer wieder etwas bizarr, in einer Gegend Urlaub zu verbringen und Spaß zu haben, in der so viele Menschen im Ersten Weltkrieg ihr Leben verloren haben.
Nach einem Fotostopp und einem kurzen Insichgehen ging es los – und dieser Klettersteig hielt, was die einschlägige Literatur (Eugen E. Hüsler) verspricht: Das Stahlseil ist tatsächlich neu und glänzend, die schwarzen Gummipuffer an den Verankerungen will man zukünftig eigentlich nicht mehr missen, und der Steig bereitet, wenn man den Einstieg geschafft hat, wirklich keine Probleme. Wir kraxelten nach einer ersten kleinen Kraftanstrengung also stetig empor, genossen die ausgesetzte Querung, deren Bild wahrscheinlich in keiner Tourenbeschreibung fehlt, und waren etwa anderthalb Stunden eigentlich schon viel zu früh am Ende des Steiges.
Nun begann die Fragerei: Würden wir den Cache finden? Würden wir sogar die Erstfinder sein?
Zunächst aber stellte sich eine ganz andere Frage: Wie kommt man vom Klettersteig zum Cache? Die Cachebeschreibung verriet uns außer „A cache hidden in a machine gun station in the trenches of Col dei Bos, Tofane“ eigentlich nichts Verwertbares. Der Cache war in Italien, die Beschreibung war konsequenterweise in italienischer Sprache gehalten, und mit unseren rudimentären Italienischkenntnissen fanden wir in der Beschreibung eine Menge Angaben zu den Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg und einen Hinweis auf die landschaftlichen Schönheiten. Mehr nicht, wobei wir uns auch im Nachhinein nicht darum gekümmert haben, ob wir aufgrund unserer rudimentären Italienischkenntnisse (s. o.) möglicherweise eine Wegbeschreibung überlesen haben. Nun gut, wir folgten der Methode „linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß“ und näherten uns über Stock und Stein nach und nach dem Cache. Das Gelände war auch an den Stellen, an denen wir keinen wirklichen Pfad fanden, völlig unproblematisch, und je näher wir dem Cache kamen, desto deutlicher wurde das Wegenetz.
Der Cache sollte in einer alten Weltkriegsstellung liegen, und diese war schnell entdeckt. Die Spannung stieg: Würden wir den Cache finden? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein neuer Cache seine Tücken beispielsweise in Form von Zahlendrehern bei den Koordinaten aufweist. Nach kurzer Zeit hielten wir jedoch die Box in den Händen – und konnten uns als Erstfinder in das neue Logbuch eintragen.
In unserem besten Italienisch (bzw. dem, was wir dafür hielten), schrieben wir also unseren Logeintrag. Zum Glück waren die vorbereiteten Felder im Logbuch recht klein, für unseren Aufkleber ging schon eine Menge Platz drauf, und der Rest war dann ein spontaner linguistischer Erguss in Pseudo-Italienisch. Für den späteren Internet-Log nahmen wir dann ein Wörterbuch zu Hilfe und hoffen, dass dies der Qualität des Eintrags zuträglich war.
Der Abstieg vom Cache gestaltete sich noch als überraschend interessant: Von der Abstiegsroute unseres Klettersteig-Führers waren wir durch den Abstecher zum Cache schon recht weit entfernt, und das gute Wegenetz der „Normalwege“ bot tatsächlich eine alte Militärstraße, die uns durch eine traumhafte Dolomitenlandschaft mit sagenhaftem Blick auf die Cinque Torri durch einen kleinen Tunnel wieder zurück zum Lazarett führte, von wo aus der Parkplatz schnell erreicht war.
Fazit: Super Wetter, traumhafte Landschaft mit großartigen Ausblicken in die Dolomiten, nagelneuer Klettersteig in bestem Zustand, mehrere kleine Geschichtslektionen über den Tag verteilt – und dann ein FTF. Yeah! So macht ein Bergurlaub besonders viel Spaß! Und eins war klar: Die Phase des Wundenleckens war überwunden, vielmehr hatten wir Blut geleckt. Dies sollte nicht der letzte Klettersteig des Urlaubs sein!
…to be continued!