Anfang des Jahres erreichte mich die Info zu einem neuen alpinen Klettersteig am Furggrat unterhalb des Matterhorn. Der Klettersteig soll die Traverse des Furggrat auf der italienisch-schweizerischen Grenze von Ost nach West zur alten Furggenstation (!Geocache-Alert!) insbesondere im Winter ermöglichen. Eröffnet wurde er von Zermatter Bergführern im Herbst 2015. Praktischerweise hatten wir für Anfang März eine Skiwoche im italienischen Cervinia geplant. Natürlich wurde sofort die Agenda ergänzt und auf ordentliche Verhältnisse mit schickem Wetter gehofft.
Nach einem durchwachsenen Winter im Januar und Februar hatten wir dann ein gutes Wetterlos gezogen. Ein fetter Powderalarm erreichte das Aostatal kurz vor unserer Ankunft und danach gab es eine Woche bestes Wetter. Gleichwohl war es anfänglich recht kalt mit -20° und einigen windigen Tagen, einer davon mit 100km/h+ in Lagen über 2500m. Der Wind hatte den Schnee dann auch auf italienischer Seite verharscht und die Lawinenwarnstufe wurde auf 3 angehoben. Kein Wetter für Hochgenuß bei einer Grattour. Wir entschieden so lange wie möglich zu warten. Für das Warten wurden wir zum Ende unserer Skiwoche aber entschädigt. Wir erwischten für die Tour einen Traumtag mit Dauersonnenschein, kaum Wind und (wieder) ordentlichem Schnee.
Unser Plan war morgens mit der ersten Bahn von Cervinia zur Testa Grigia zu fahren. Von dort mit Ski über den Theodulgletscher in Richtung Zermatt zur Furggsattelbahn. Diese sollte uns zum Furggsattel zwischen Theodulhorn (!Geocache-Alert!) und Furgghorn bringen, dem eigentlichen Startpunkt unserer Tour. Von dort über den Furggrat zum Einstieg des Klettersteigs La Traversata, der den Felssporn unterhalb der alten Furggenstation auf 3500m überquert. Von dort wollten wir dann die ganzen 1500hm mit Ski bis Cervinia abfahren und hofften auf ordentliche Schneeverhältnisse für diese Freerideabfahrt. Diese hatte ich noch in guter Erinnerung von unserer Stippvisite vor einigen Jahren. Damals hatten wir im Spätwinter den Aufstieg mit Tourenski von Cervinia via Plan Maison gemacht.
Am Abend vorher wurde noch der Rucksack gepackt. Der Inhalt ergab eine ungewöhnliche Zusammenstellung, aber notwendig für eine Skitour kombiniert mit Klettersteig und Kraxelei. Zusammen mit Verpflegung aber alles nur um die 6 Kilo.
Dann war es soweit und es klappte alles wie am Schnürchen. Kurz vor 9 Uhr standen wir in einer der ersten Bahnen nach Plan Maison und im Anschluß nach Cime Bianche. Von dort ging es mit der ersten Bahn nach Testa Grigia und kurz vor halb zehn waren wir oben. Fix wurden die Ski angeschallt, die Piepse gecheckt und dann bretterten wir Richtung Furggsattelbahn. Der eisige Fahrtwind machte uns dann auch offiziell wach. Wenige Minuten später standen wir am Furggsttel mit einem traumhaften Blick auf das Matterhorn und unserem heutiges Tourziel der alten Station “Funivia del Furggen”.Wir fuhren einige wenige Meter ab und zogen dann die Felle auf die Tourenski für den ersten Aufstieg. Diesen ließen wir auch schnell hinter uns und hatten dann erstmal einen guten Blick auf den gesamten Grat. Die Verhältnisse sahen gut aus. So konnten wir dann auch bis auf eine kurze Tragepassage von ca. 150m fast alles mit Ski fahren . Allerdings ist der gesamte Grat schon sehr ausgesetzt und in weiten Teilen fallen die Flanken steil zu beiden Seiten ab.
Schnell standen wir am Einstieg zum Klettersteig und starteten kleinere Umbaumaßnahmen: abfellen, Ski mit den Stöcken an den Rucksack, Klettersteigset anziehen, anseilen und Jacke aus (es war mitterweile angenehm warm – also relativ gesehen).
Dank des griffigen Schnee und der Eisfreiheit konnten wir auch auf Steigeisen komplett verzichten und gewannen im Klettersteig schnell an Höhe. Die Eis-Streitaxt blieb ebenfalls unbenutzt.
Immer wieder gab es tolle Gratmeter zu begehen und es war einfach ein großer Spaß.
Gleichwohl hier auch der Hinweis, daß man den Steig nicht unterschätzen sollte und mit der notwendigen Ernsthaftigkeit begegnen sollten. Durch die Ausgesetztheit hat ein Fehltritt – auch in den Gratpassagen vor dem Klettersteig – schnell fatale Folgen. Gerade bei unsicheren und/oder schwierigen Verhältnissen wird es an vielen Stellen schnell anspruchsvoll.
Schneller als gedacht kam die alte Station in Sicht, an der der Klettersteig auch endet. Die letzten 30m waren recht unangenehm durch viel Geröll und Eis auf diesen letzten Metern. So standen wir um 11.30 Uhr auf dem Dach der alten Furggenstation.
Wir machten viele Photos vom unglaublichen Panorama und dem Blick zum nahen Matterhorn. Der Rundumblick ins Wallis, die italienischen und französischen Alpen ist umwerfend. Im Anschluss gingen wir dann noch in die Station nachdem wir die Tür freigeschaufelt hatten. In den Jahren hat sich nicht viel geändert. Es gibt nur mehr Decken, Lebensmittel und Kerzen.
Wir gingen die Treppen herunter, kletterten einige Meter ab und schnallten die Ski für die Abfahrt nach Cervinia an. Die ersten Meter waren – sagen wir – “interessant”. Dann ging es weniger schwierig zur Wächte am Hang unterhalb der Station. Östlich im Hang zeugte ein frischer 30cm Lawinenabriss, daß diese Stelle nicht umsonst eine der Schlüsselstellen ist. In wenigen kurzen Schwüngen konnten wir diesen Steilhang diesmal abfahren. Beim letzten Mal hatten wir uns dagegen entschieden aufgrund der eisigen Verhältnisse.
Unterhalb des Steilhangs begann dann der große Spaß der Abfahrt zum und durch das Breuil-Joch. Hier hatten wir noch puffy Schnee. Unterhalb des Jochs begann dann allerdings leichter Bruchharsch, der die Oberschenkel zum Dröhnen brachte. Hier kamen die schmalen kurzen Tourenlatten (Völkl Mauja mit Dynafit TLT ST Radical) ein wenig an ihre Grenzen. Durch eine mit Felsen durchsetzte Landschaft ging es zügig weiter und unterhalb der Pancheron Talstation ging es dann weiter über die Piste zum Einkehrschwung. Um 12.30 Uhr, – 3,5h nach unserem Start – saßen wir hungrig und durstig im “Les Skieurs d’Antan” an der Talstation in Cervinia.
Nach ausreichender Stärkung verbrachten wir den restlichen Tag dann mit einem Mix aus Pistenkilometern und Offpiste-Touren.
Fazit:
Großartige Tour mit toller Freerideabfahrt, die ich bestimmt nochmal wiederholen werde. Vielleicht sogar im Sommer – auch wenn der Abstieg dann nicht so schnell geht.
Abschließend:
- Möge aus “La Traversata” nicht “La Traviata” werden. Es handelt sich im Sommer wie im Winter um eine hochalpine Tour auf bis zu 3500m mit alpinen Gefahren. Durch die Ausgesetztheit ist sie nicht zu unterschätzen und man sollte sich vorab über die Verhältnisse – inbesonders an den Schlüsselstellen – informieren.
- Danke an den langen Stau auf der A5 in dem weite Teile dieses Bericht bereits geschrieben wurden.
- Meine Wade erholt sich langsam von einem Feindkontakt mit der Skikante im Bruchharsch.
- Der geneigte Geocacher möge mit (!Geocache-Alert!) markierte Textstellen bitte weiterer Recherche unterziehen.
- Wenige Tage nach unseren Besuch erschien ein Bericht über La Traversata bei Bergwelten.
Hier noch ein Video mit “leichtem” Fokus auf die Abfahrt.
Links:
Vielen Dank für den langen Bericht und die tollen Fotos 🙂
Der Klettersteig ist nur in eine Richtung begehbar? Wäre ja im Sommer eine interessante Möglichkeit, einen gewissen Cache zu besuchen 😀
Geht in beide Richtung. Auch bei “Gegenverkehr” eigentlich kein Problem.
Vielen Dank für die Infos, schaut ja sehr schick aus der Klettersteig.
Mal sehen, vielleicht reicht es mir dieses Jahr einen kleinen Wochenendausflug zur Cachekontrolle. :-))
Hut ab! War selbst schon auf der Funivia, aber Eure Reiseroute ist schon bewundernswert genial,,,